Immer wieder überschwemmte der Rhein in vormittelalterlichen Zeiten das Gebiet, das wir heute die Mommniederung nennen. An den Außenkanten des großen Bogens war die Strömung schnell und es konnten sich dort, wenn überhaupt, nur schwerere Schwemmstoffe ablagern. Es entstanden die Kiesufer. Anders im Innenbogen. Die Fläche war größer, die Strömungsgeschwindigkeit schwach. Oft blieb das Wasser nach einem Hochwasser noch tagelang stehen. Das waren beste Voraussetzungen für die Ablagerung feiner und feinster Schwebstoffe. Im Laufe der Jahrhunderte entstanden so fruchtbare Lößböden, der so genannte Auenlehm. Die Schichten sind meist einen halben bis einen Meter stark, konnten hier und da aber auch eine Stärke von mehreren Metern erreichen.

Der ertragreiche Boden brachte anscheinend schon sehr früh Menschen dazu, das Risiko häufiger Überschwemmungen auf sich zu nehmen und in diesem Auenland zu siedeln. Eine Eindeichung war nicht zu leisten, also blieb als einzige Möglichkeit kleine Hügel aufzuwerfen und Hof und Stall auf einer möglichst hochwasserfreien Höhe anzulegen. Praktisch alle älteren Gebäude in der Bauernschaft Löhnen stehen auf solchen Warften.

Neben den Überflutungen mussten weitere Schwierigkeiten bewältigt werden.  Das abfließende Hochwasser spülte immer wieder Teile des wertvollen Bodens fort. Und in trockenen Perioden beteiligte sich der Wind an der Bodenerosion. Durch die Verwehungen aus dem Auengebiet sind so vielleicht auch über lange Zeit die „Spellener Dünen“ entstanden.  Früh schon kamen die Bauern auf die Idee, dass ein dichtes Netz von Hecken dafür sorgen konnte, die Fließgeschwindigkeit bei Überflutungen deutlich zu verringern und gleichzeitig die Winderosion nahezu zu verhindern. Ganz nebenbei sparte man sich so auch die Zäune bei der Viehhaltung.

Mit der Verbesserung der Erträge und der Verminderung der Ausfälle nahm der Wohlstand zu und die Zahl der Menschen in der Aue. Aber die Winter waren lang und kalt und sie wurden mit der so genannten „Kleinen Eiszeit“ Mitte des 16. Jahrhunderts immer strenger. Brennholz wurde knapp, vor allem zum Heizen aber auch zum Brot backen. Die wenigen Weiden-, Eschen- und Erlengehölze am Flussufer waren schnell verbraucht. Irgendjemand muss damals den Kopfbaum erfunden haben. Wenn man nämlich bei Weiden oder Eschen in einer gut erreichbaren Höhe den Baum kappte, schlug dieser im nächsten Jahr dort wieder aus und lieferte so das benötigte Holz am immer gleichen Ort. Etwa alle drei Jahre konnte mit guten Ertrag „geerntet“ werden. Weiden und Eschen wuchsen schnell und die Weidenruten waren darüber hinaus für Körbe und anderes Flechtwerk geeignet, aus dem Weidenholz wurden Holzschuhe („Klompen“) gemacht (die Weidenrinde diente darüber hinaus als Heilmittel bei Verletzungen). Eschenholz war dagegen (bis heute) hervorragend für Gerätestiele geeignet. Wahrscheinlich war in der Mommniederung aber die Brennholzgewinnung der wichtigste Zweck, da dort die meisten Kopfbäume Eschen sind, deren Brennwert höher ist als der von Weiden.

Auf solche Weise ist im Laufe der Jahrhunderte diese außerordentlich vielfältige Landschaftsstruktur mit Wiesen, Hecken und Kopfbäumen entstanden, die heute den besonderen Reiz der Mommniederung ausmacht.  Nicht nur für die Menschen: In den Höhlen der alten Kopfweiden und -eschen nistet mit Vorliebe der Steinkauz und die Hecken, vielfach mit Weißdorn, bieten vielen Vogelarten einen sicheren Brutplatz und Nahrung. 

Die Darstellung der landwirtschaftlichen Entwicklung und der damit verbundenen Landschaftsgestaltung vermittelt allerdings ein viel zu positives Bild einer kontinuierlichen Aufwärts-entwicklung. Dies war jedoch leider nicht so.  Neben einigen schweren „Jahrhunderthochwassern“, die viel Schaden anrichteten und manchmal auch Todesopfer forderten, war das Land immer wieder Schauplatz kriegerischer Auseinandersetzungen, vor allem um die Festungen Rheinberg und Wesel. Wie damals üblich versorgten sich die jeweiligen Truppen aus dem Land, plünderten die Vorräte der Bauern, requirierten das Vieh und schlugen Holz nach Bedarf. Zeitweilig mussten die Menschen sogar ihre Höfe verlassen, um in den befestigten Städten Schutz zu suchen. So wurde der erarbeitete Wohlstand immer wieder vernichtet, so dass man hier nie von einer „reichen Gegend“ sprechen konnte.

Später, vielleicht schon zu Ende des 16. Jahrhunderts, begann man damit, das Land mit Sommerdeichen vor allzu häufigen Überflutungen durch den Rhein zu schützen. Schließlich wurde nördlich von Mehrum für den Mommbach eine Schleuse angelegt um zu verhindern, dass das Hochwasser über den Bachlauf in den geschützten Bereich zurückläuft. Nach dem großen Hochwasser 1926, dem die bisherigen Sommerdeiche nichts entgegensetzen konnten, wurde im Rahmen einer großen Arbeitsbeschaffungsmaßnahme (später durch den Arbeitsdienst) Anfang der 1930er Jahre die komplette Mommniederung eingedeicht.

Die letzte große Bewährungsprobe für die Mommniederung stellte der Bergbau dar.  Obwohl die Kohlegewinnung im Ruhrgebiet längst nicht mehr wirtschaftlich war, wurde versucht, mithilfe staatlicher Zuschüsse noch Kohlelagerstätten unter dem Rhein und der Mommniederung abzubauen. Dieses Vorhaben konnte erst nach großem öffentlichen Druck durch die „Walsumer Verständigung“ 2008 beendet werden. Bis dahin war aber das Gebiet der Mommniederung durch den Kohleabbau in großen Teilen um bis zu 6 m abgesenkt worden. Mit der Folge, dass ein natürlicher Abfluss zum Rhein nicht mehr gegeben war. Im Laufe weniger Jahre wäre ein großer See entstanden. Um die einzigartige Kulturlandschaft – die immerhin mehr als ein Viertel des Voerder Stadtgebietes ausmacht – zu schützen wurde daher ein umfangreiches System von Brunnen und Rohrleitungen angelegt, wodurch das ansteigende Grundwasser aufgefangen und mittels großer Pumpen in den Rhein abgeleitet wird. Es handelt sich um eine der „Ewigkeitslasten“ des Bergbaus, womit alle künftigen Generationen sich auseinander setzten müssen.